Es ist Donnerstag und heute Abend läuft Germanys Next Topmodel. Da sind meine Damen dabei, wenn es darum geht, von Heidi ein Foto zu bekommen. Zeit für mich angeln zu gehen – niemand wird mich vermissen.
Ich möchte nach unzähligen Fehlversuchen jetzt unbedingt mal wieder einen Fisch anlanden! Dazu gibt es im April eine ganz sichere Wahl: Heringe an der Schleuse in Hvide Sande. Jetzt ziehen die Heringe in Schwärmen durch die Schleuse, das bedeutet leichte Beute für den Angler.

Ein Fisch-Festival
Als ich ankomme steht die Sonne schon tief, aber es ist immer noch voll. Dicht an dich stehen die Angler auf der Kaimauer. Es gibt keine andere Möglichkeit: ich quetsche mich auch noch dazwischen. Man spricht russisch neben mir, pafft beim Angeln fröhlich eine Zigarette oder genießt als dänisches Anglerpaar schweigend das gemeinsame Erlebnis.
Wer beim Angeln an selbstvergessene Einsamkeit denkt ist hier definitiv falsch. Heringsangeln ist ein Ereignis und da machen alle mit. Unterschiedliche Nationalitäten, jedes Geschlecht und jedes Alter, Profis und Amateure. Ein munteres Treiben – bis auf den einen knurrigen Griesgram, den es ja immer gibt.
Jeder verliert beim Einkurbeln mal ein Vorfach, das am Meeresgrund hakt. Jeder fängt auch einige Heringe. Jeder verhakt sich einmal mit der Leine seines Nachbarn. Ein großes gemeinsames Angelfest.

Der „Heringsclan“
Bald muss ich mich aber schon bremsen, damit ich in der Euphorie nicht zu viele Fische angele, die ich gar nicht verwerten kann – ausnehmen, schuppen und putzen muss man die Fische ja auch alle.
Da lerne ich aber heute, das Zurückhaltung nicht jedermann üben muss – ganz im Gegenteil. Ein paar Meter entfernt ist eine – für meinen ungeschulten Blick – pakistanisch oder indisch anmutenden Großfamilie oder ein Freundeskreis im wahren Heringsrausch. 4-5 Angler stehen an der Kaimauer und alle paar Minuten zieht einer ein paar Heringe wild zappeln aus dem Wasser. Auf dem Kai sind große Tüten aufgestellt, in die die Fische vom Abköder- und Orgateam verteilt werden. Das Ganze ist ein euphorisches geschäftiges Treiben. Für mich fühlt es sich ein bisschen an wie Fischmarkt in Kalkuttar mit einem guten Schuß fröhlichem Multikulti aus Kreuzberg.

Heringsdöner
Ich schätze, das in einer Tüte niedrig angesetzt, so an die 50 Heringen liegen. Das bedeutet bei 8 Säcken so ca. 400 Heringe. Wer die wohl verarbeitet? Und wer soll die essen? Bei 10 Personen könnten jeder 40 Tage lang jeden Tag einen Hering essen, geht es mir durch den Kopf. Eingelegter Hering, gebratener Hering, geräucherter Hering, Fischbouletten, Heringssalat fallen mir ein oder es müssen Innovationen her, wie: Heringsburger, Heringswurst, Heringsomelette, Heringssushi, Heringsdöner…
Der fantastische Fangerfolg wird in der Gruppe heute bestimmt noch groß gefeiert – bei der Party wäre ich auch gerne dabei. Passend zum bunten Treiben scheint heute die Sonne und wie immer weht eine frische Brise – das ist Jütland.

Meine Heringe bekommen von mir heute auf jeden Fall ein Foto und beim nächsten Mal bin ich auch wieder auf dem Kai mit dabei. Danke Heidi!